Oliver Herwig
11 | 2020
Magazin

Funktioniert

Design Thinking?

Gestalter*innen antworten.

Neuronales Netz © Helmchen

Design Thinking gilt vielen als das gerade angesagteste Kreativitäts-Werkzeug. Es bringt Menschen zusammen und lenkt den Blick auf die User. Plötzlich werden Menschen zu Gestaltern, die früher gerade mal als Sachbearbeiter*innen galten.

Ist das die Demokratisierung der Kreativität? Und haben sich Designer da die Butter vom Brot nehmen lassen? Eine Umfrage bei Menschen, die es wissen müssen. Acht Statements (A-Z) von:

Volker Albus, Jan-Erik Baars, Christoph Böninger, Nitzan Cohen, Martin Hauenstein, Leo Lübke, Eva Marguerre, Ana Relvão ...

Volker Albus in Nischni Nowgorod © Volker Albus

"Design ist vor allem der Gesellschaft verpflichtet."

Volker Albus

Ich gestehe, dass mir der Begriff Design Thinking zwar bekannt ist, dass mir aber bislang die exakte Definition nicht geläufig war.

Nachdem ich mich aber kundig getan habe, kann ich nur sagen, dass ich die so apostrophierte Methodik voll unterschreiben kann. Mehr noch: ich muss feststellen, dass viele meiner in Karlsruhe angebotenen Projekte nur über diese Art der Lösungsfindung, also des intensiven interdisziplinären Austauschas zum Ziel führen.

Von jeher habe ich den Standpunkt vertreten, dass das Design vor allem der Gesellschaft (und nicht der Wirtschaft oder einem rein akademischen Selbstverständnis) verpflichtet ist und somit entsprechend arbeiten muss. Projekte wie „Schlafen im Büro“, „Move Your Shelf“ oder „Eat Wear“ hatten immer eine starke soziologische Komponente und ohne die Berücksichtigung solche Apsekte würden solche Aufgabenstellungen komplett ins Leere laufen oder sie würden zu Freier Kunst mutieren (nichts gegen Kunst!).

Wohin es führt, wenn dieses übergreifende Design Thinking ausgeblendet wird, zeigt sich exemplarisch an der Automobilindustrie; hier wird entsprechend dem Credo, dass das Design ausschließlich der Wirtschaft, sprich dem ökonomischen Erfolg des Unternehmens verpflichtet ist, verfahren. Von Spurenelementen einer gesellschaftlicher Verantwortung (abgesehen von Sicherheitsfragen) lässt sich in der Arbeit dieser Unternehmen absolut nichts erkennen. Hier widmet man sich ausschließlich dem Produkt, dem Design (der Verführung durch Design) und der Ansprache niederster Instinkte (man muss es leider so hart sagen).

Volker Albus, 2020

 

Prof. Jan-Eric Baars © Prenew GmbH

"Viele Unternehmen denken zu technisch, zu risikoscheu, zu wenig innovativ."

Jan-Erik Baars

Design Thinking hilft Unternehmen bei der Lösung von verflixten Problemen: Was wollen Kunden wirklich, welche Lösungen machen Sinn, wie bleibe ich als Unternehmen relevant? Viele Unternehmen merken, dass ihre jetzige Vorgehensweise nicht kreativ genug ist, hierauf Antworten zu geben: Sie denken zu technisch, zu risikoscheu, zu wenig innovativ. Design Thinking hilft ihnen dabei dieses Denken zu erweitern und Kreativität zu entfalten, sodass Unternehmen relevante Lösungen entwickeln, die Kunden wirklich wollen und die Sinn machen

Jan-Erik Baars, 2020

Christoph Böninger © Gisela Schenker, 2018

"IDEO hat mit dem Begriff einen riesen Marketing-Coup gelandet."

Christoph Böninger

Nitzan Cohen © Nitzan Cohen

"I believe I have my own version of it."

Nitzan Cohen

DT as a theory by itself and a specific ‘written’ dogma is something I am not using in my work – neither as designer nor as a design educator. As far as I know, none of the companies I worked with were actively using it.

But then, when conceiving MATIAZZI as a brad, I went through a very thorough conceptual process – involving as well the company owners, and though it was not referred to as ‘Design Thinking’ it was 1:1 design thinking …

As such, many if not all the key components of DT (to the best of my knowledge) are being constantly implemented in my work – here again both as a designer and as a design educator.

I believe I have my own version of it, as developed over the years which is adapted (and still evolving) to/with what I do and that is what I apply and teach.

Nitzan Cohen, 2020

Martin Hauenstein © Peter Nievelstein

"Alter Wein in neuen Schläuchen."

Martin Hauenstein

Kreativität wird meines Erachtens missverstanden. Ein Buchhalter, der es doch schafft, im Rahmen des Erlaubten die Lücke zu finden oder der Kantinenkoch, der es schafft, für € 2,50 ein gutes Gericht zu kreieren. Das sind doch auch hochkreative Leistungen, oder? Mich spornt es geradezu an, wenn alle glauben, da geht eh nix mehr. Dann habe ich meinen Spaß.

Ich bin ja so gar kein Freund von immer wieder neuen Schlagworten rund ums Design. Da schalte ich schnell auf Durchzug. Deshalb habe ich das noch einmal bei Wikipedia nachgelesen. Was da zu diesem Thema steht, ist alter Wein in neuen Schläuchen und damit wird das ganze absurd. Geht es doch genau darum, dies nicht zu tun.

Uns wurde damals im Studium an der FH eingetrichtert, dass man für eine Produktentwicklung Wissen zu Material, Verfahrenstechnik, Ergonomie, Marketing … braucht. Ganz normal, dass man sich die entsprechende Unterstützung geholt hat und dieses Wissen in das Design einfloss. Deshalb ist das für mich ein alter Hut.

Martin Hauenstein, 2020

Leo Lübke © COR

"Ein hilfreiches Werkzeug, das den Designer-Beruf nicht ersetzen wird."

Leo Lübke

Designer sind Generalisten mit ausgeprägtem Halbwissen und großer Neugierde. Ihre wertvollste Fähigkeit besteht vielleicht darin, ungewöhnliche Verknüpfungen aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen herzustellen, so dass etwas völlig Neues entsteht.
In der Betriebswirtschaftslehre, insbesondere im Projekt-Management, ist diese Kreativ-Technik unter dem Begriff „Design-Thinking“ sehr in Mode gekommen und immer weiter professionalisiert worden. „Design-Thinking“ ist ein hilfreiches Werkzeug zur Lösung komplexer Problem- und Aufgabenstellungen, das den Designer-Beruf aber nicht ersetzen wird.

Leo Lübke, 2020

Besau-Marguerre_2019 © Silke_Zander

"Wir leben genau diesen Ansatz, ohne uns bewusst dafür entschieden zu haben."

Eva Marguerre

Wir haben keine direkte Erfahrung mit der Methode an sich, wir leben eher genau diesen Ansatz, ohne uns bewusst dafür entschieden zu haben – für uns als Designer unerlässlich!

Auch mit unserem Arbeitsumfeld, einer Mischung aus Team Besau-Marguerre und einem Co-Working Space bestehend aus anderen Kreativen aus den verschiedensten Disziplinen, leben wir den Design-Thinking-Ansatz täglich.

Und somit, ja! Es hilft uns offen zu bleiben und Lösungen für neue Herausforderungen finden zu können!

Eva Marguerre, 2020

 

Ana Relvão (links: Gerhardt Kellermann) © Marian Wilhelm

"Design Thinking reduces the designer to a stylist."

Ana Relvão

Design Thinking results as an answer to an approach where designing products reduces the designer to a stylist. This idea of Design is very much connected to consumerism: for example, often designers are asked to put an attractive shell around technology, to „make it nice“.

The way we work in our office is to always put everything into question, even the design briefing if needed. Therefore we are able to come out with solutions or alternatives which didn’t exist before. In fact, in our process there is no way to separate Design Thinking from Design Doing.

We find it crucial to be involved from the very first moment of the definition of the task to the very last of implementation.

But our work is not exactly just ours. To design is a collaborative process. Designers must work together with a different kind of stakeholders like engineers, philosophers, physiologists, marketeers, but also together with the persons the solutions created is being designed for.

It would be a mistake to say designers do it by themselves. But it’s also a mistake to say everyone is a designer. A designer has very important skills in understanding cultural behavior, and due to his vision and approach to problems, he’s also a great mediator.

Once you put everything into question, it can be that you realize products are not always the best solution for a case. And there you have the foundation for Service Design.

This might be the reason why so often the terms Design Thinking, Co-Designing, Service Design and Social Design appear together.

Ana Relvão, 2020

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